Samstag, 1. Oktober 2016

Adventure-Helm Arai Tour-X4

Dezember 2015

In der vergangenen Saison haben wir uns ja bereits mehrfach mit dem Segment der Adventure-Helme befasst: Nach dem Touratech Aventuro Carbon, den wir als eine der ersten Redaktionen bereits im März 2015 vorgestellt hatten, haben wir uns dann im Juni mit dem BMW GS-Modell auseinandergesetzt. Deshalb war klar, dass wir uns auch das entsprechende Modell des namhaften Herstellers Arai, das Modell Tour-X4 näher anschauen würden, wenn wir es denn in die Finger bekommen. Schön, dass uns auch das geglückt ist.




Der traditionsreiche japanische Hersteller beschreibt den Tour-X4 auf seiner Homepage wie folgt:


BEREIT FÜR ALLES DENKBARE

Abenteuer, die große Tour oder hartes Off-Road, der Arai Tour-X4 ist bereit für jeden Einsatzzweck. Unser neuer Tour-X4 verfügt über eine komplett neue Aussenschale. Neugestaltet, härter, fester und steifer als jemals zuvor. Weil der Tour-X4 von vielen Nutzern unter härtesten Bedingungen verwendet wird, wurde speziell das Belüftungssystem auf maximale Effizienz hin überarbeitet. Die neuen Wangenpolster in FCS (Facial Contour System) Bauweise bieten eine straffe Passform und stützen sich entlang der Unterkieferlinie optimal am Gesicht ab. Zur individuellen Anpassung an den jeweiligen Kopf besteht die Möglichkeit, die serienmäßigen Wangen- und Kopfpolster um jeweils 5mm abzupolstern. Natürlich sind auch Polster in unterschiedlichen Stärken optional erhältlich. Tragen Sie den Tour-X4 mit oder ohne Schirm, mit oder ohne Visier oder einer Kombination aus beidem. Die große Gesichtsfeldöffnung bietet ebenfalls reichlich Platz für die Verwendung einer Cross-Brille.

Verfügbare Größen: XS bis XXL“




Das dazugehörige „Factsheet“ wird online leider nur in englischer Sprache unter http://www.araihelmet-europe.com/site/wp-content/uploads/Factsheet-TourX4-2013LR2.pdf angeboten; Interessierte können sich unter diesem Link gerne näher informieren.

Nachdem uns im Sommer bereits ein Jethelm-Modell aus dem Hause Arai nur mittelmäßig überzeugen konnte, waren wir in Bezug auf die Einsatzfähigkeiten des Tour-X4 schon mächtig gespannt.




Dementsprechend kehrte dann auch bei diesem Modell relativ schnell ein wenig Ernüchterung ein. Wer schon den einen oder anderen Helmtest von uns gelesen hat, weiß, welche große Bedeutung fast das gesamte Redaktionsteam von Motorrad-Tourer.com integrierten Sonnenvisieren beimisst. Auch wenn wir sehr wohl wissen, dass es in der heterogenen Motorradfahrerlandschaft auch andere Auffassungen gibt, ist dieses Tool für uns ein kaum verzichtbares Sicherheits-Feature. Spätestens auf Reiseetappen mit ständig wechselnden Lichtverhältnissen wie beispielsweise wiederholten Tunneldurchfahrten bei ansonsten strahlendem Sonnenschein ist für uns ein integriertes Sonnenvisier alternativlos.






Und so war denn schon beim Auspacken des Tour-X4 klar, dass auch dieses Modell keine Maximalbewertung würde erreichen können: Auch bei diesem Modell verzichtet Arai auf eine integrierte Sonnenblende.






Ansonsten hat uns das Dekor schon ziemlich aus den Socken gehauen: Selten haben wir ein so gelungenes, dynamisches und gleichzeitig unaufdringlich wirkendes Dekor auf einem Helm wie beim Tour-X4 in „Flare Sand“ gesehen. Klar, dass diese Einschätzung ziemlich subjektiv ist, aber das ist die Beantwortung einer Optikfrage naturgemäß immer. Uns jedenfalls gefällt das Styling des Tour-X4 mit Abstand am besten von allen bisher getesteten Adventure-Helmen.






Ähnlich wie beim Aventuro Carbon von Touratech ist auch beim Tour-X4 das Innenpolster am Hals sehr eng anliegend und vermittelt damit einen guten Sitz. Auch der Stoff fühlt sich angenehm an und führt auch nach längerer Benutzung zu keinerlei unangenehmen Missempfindungen. Toll finden wir die Möglichkeit, durch optional erhältliche Wangen- und Kopfpolster die Passform individuell gestalten und anpassen zu können. In diesem Punkt werden wir an die bereits serienmäßige Ausstattung des Aventuro Carbon erinnert, der diese Möglichkeit ebenfalls bietet.


Ebenfalls als gute Idee werten wir das Notfall-System, mit dem nach einem stattgefundenen Unfall Helfer mit wenigen Handgriffen einen Teil der am Halsansatz befindlichen Polster bei noch aufgesetztem Helm entfernen können. Allerdings gestaltete sich das bei unseren Versuchen – wie auch bei anderen Helmen mit diesem Feature – nicht so ganz leicht: Je nachdem, wie stark die Polsterungen und Schulterprotektoren der Motorradjacke auftragen, kann es sein, dass diese Funktion im Ernstfall auch nur begrenzt weiterhilft.







Das dem Style eines Adventure-Helm entsprechende Sonnenschild kann, wie bei allen Helmen dieses Segments, aus unserer Sicht nur begrenzt auf wenige Einsatzgebiete einen halbwegs wirkungsvollen Sonnenschutz darstellen: Wer im Stehen im Gelände unterwegs ist und dabei den Kopf etwas nach unten gesenkt hat, obwohl er ja eigentlich nach vorne schauen sollte, bei dem mag der Sonnenschirm in einigen Positionen den Augenbereich beschatten. Im „normalen“ Tourbetrieb während der Reiseetappen wird der direkte Sonnenschein nur zu oft Zugang zu den Augen der X4-Besitzers finden.






Die Visier-Mechanik  des Tour-X4 wirkt stabil und ohne Klappern. Leider lässt sich das Visier selbst nicht ohne Werkzeug wechseln oder abbauen, um beispielsweise mit Brille zu fahren. Je Seite müssen zwei gut sitzende Schrauben mit einem kleinen Schraubendreher oder dgl. aus- und wieder eingebaut werden. Wir finden es auch gut, dass das Visier des Tour-X4 für den Einsatz eines Pinlock-Systems vorbereitet ist und in der Serienausstattung bereits ein solches Pinlock-Visier enthalten ist.





Freuen wir uns bis dahin, dass die Belüftung des Tour-X4 auch das Fahren bei höheren Temperaturen zulässt, ohne dass sich ein übermäßiger Hitzestau einstellt. Leider geht diese positive Eigenschaft mit einem – natürlich je nach Motorrad-Modell, Körpergröße und Sitzposition des Fahrers unterschiedlich – lautem Windgeräusch einher.  In diesem Punkt verliert man relativ schnell die Lust, den Tour-X4 auf einer langen Tagesetappe zu tragen.

Was gibt es sonst zu sagen? Nun, der als besonders sicher geltende Doppel-D-Verschluss, der wiederum in Sachen Komfort nicht jedermanns Sache ist, ist vielleicht einer der auffälligsten Hinweise auf das Hauptargument, mit dem sich Interessenten einem Helmmodell von Arai und damit auch dem Tour-X4 nähern: Der Sicherheitsaspekt.








Der japanische Traditionshersteller wird nicht müde, immer wieder auf seine hohen und über die in Deutschland geltenden Sicherheitsanforderungen für Motorradhelme hinausgehenden eigenen Maßstäbe hinzuweisen. Wer sich mit dieser Thematik einmal näher befassen möchte, ist auf der Hersteller-Homepage unter http://arai.de/about-arai-2/the-company/ gut aufgehoben. Für unseren Testbetrieb sind diese Argumente nur sehr begrenzt heranzuziehen: Wir möchten in diesem Punkt bitte keinesfalls falsch verstanden werden, wenn wir sagen müssen, dass diese Angaben zu den eigenen Sicherheitsmaßstäben von Arai von uns nicht überprüft werden können. Fast alle der angesprochenen Besonderheiten wie beispielsweise der Durchschlagtest oder auch die angegebene größere Fallhöhe in den unternehmenseigenen Tests sind für uns – im übrigen wie für jeden potentiellen Interessenten ebenfalls - ohne eigenes Testlabor nicht überprüfbar. Damit bleibt einem nichts anderes übrig, als daran zu glauben, dass die Arai-Helme und damit auch der Tour-X4 besonders sicher sind, oder eben nicht daran zu glauben. Der bloße Glaube kann aber kein Testkriterium sein, so dass es uns schwer fällt, diese ja eigentlich so bedeutsame weil zentrale Eigenschaft eines Helmes aus dem Hause Arai realistisch berücksichtigen zu können.

Insoweit bleibt uns nichts anderes übrig, als die für uns nachprüfbaren und oben aufgeführten Aspekte zu berücksichtigen, auf dieser Basis das Preis-Leistungs-Verhältnis zu bewerten und das Thema Sicherheit am Ende in die alleinige Bewertung jedes einzelnen Interessenten zu legen.








Beim Preis wird es dann nicht ganz leicht. Wer sich ein wenig umschaut, findet momentan erstaunlich große Preisdifferenzen bei verschiedenen Anbietern. Aber als grobe Orientierung sollten sich Interessenten für den Tour-X4 im Dekor „Flare Sand“ auf etwa 700 Euro einstellen. Wenn wir diesen Preis zugrunde legen und die in diesem Beitrag aufgeführten positiven und weniger positiven Eigenschaften gegenüberstellen, dann wird es in Puncto Preis-Leistungs-Verhältnis schwierig für den Tour-X4. Allein die Optik hat uns subjektiv besser gefallen als bei dem Aventuro Carbon von Touratech. Ansonsten kann der Tour-X4 nichts, was das Touratech-Modell nicht auch kann, nur dass dieser in puncto Ausstattung (serienmäßige Zusatzpolster, Kamerahalter, rückseitiger Brillenhalter) noch etwas mehr bietet, obwohl er je nach Dekor zwischen 150 und 200 Euro günstiger zu haben ist. Damit hat der Tour-X4 keine Chance, an unsere Bewertung des Aventuro Carbon heranzureichen.

Andererseits ist seine Ausstattung besser als beim GS-Modell von BMW, er selbst ist aber wiederum deutlich lauter als das bayerische Modell, nachdem man dort das Kinnteil entsprechend präpariert hat. Dementsprechend ordnet sich der Arai Tour-X4 in unserer Bewertung in etwa auf dem Level des BMW GS-Modells ein und erzielt immerhin 3 von möglichen 5 LikeBikes.



 



Und wie oben schon angedeutet: Je nachdem, wie man zu dem Sicherheitsaspekt der Arai-Philosophie steht, kann das aus unserer Sicht ein sehr nachvollziehbares Argument sein, mit dem so manch ein Interessent zu einer deutlich besseren Bewertung des Tour-X4 für sich persönlich kommen kann, insbesondere dann, wenn man die sogar 5-jährige Garantiezeit, die der Hersteller bietet, berücksichtigt.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen